Knochen- und Weichteilkrebs bei Kindern: Neue Einblicke in die Metastasenbildung

Ewing-Sarkome sind hochaggressive Tumoren, die sich in Knochen- oder Weichteilgeweben bilden können und hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen vorkommen. Bei der Ausbreitung von Metastasen spielen regulatorische Proteine eine Schlüsselrolle, die hierfür bestimmte genetische Netzwerke aktivieren. Einige dieser Schlüsselproteine könnten für die Vorhersage des Krankheitsverlaufes von Patienten genutzt werden, wie eine aktuelle Studie des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) zeigt.

Gewebeschnitt Erwing-Sarkom mit eingefärbten Biomarkern
Gewebeschnitt durch ein Ewing-Sarkom: Wird die EWSR1-FLI1 Produktion gedrosselt, steigt die Menge des Biomarkers TCF7L1 in den Krebszellen (pink).©F. Cidre Aranaz/ KiTZ

Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).

Nach derzeitige Standardtherapien kommt es bei etwa einem Drittel der Ewing-Sarkom-Patienten zu Rückfällen – oft mit fatalem Ausgang. Um zu verstehen, wie diese Krebserkrankung weiter fortschreitet und Metastasen entstehen, hat ein Wissenschaftlerteam des Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrum und der Ludwigs-Maximilians-Universität München die molekularen Treiber, die zu einem Rückfall und zur Metastasenbildung beim Ewing-Sarkome führen können, untersucht.

Eine wichtige Rolle spielt dabei ein genetischer Defekt, der zu einer krebstreibenden Mutation im Gen EWSR1-ETS führt. Das vom mutierten EWSR1-ETS abgelesene Protein aktiviert bestimmte genregulatorische Netzwerke, die über den Krankheitsverlauf entscheiden. Wie die vorliegende Studie an Ewing-Sarkome-Zellen zeigt, reguliert das mutierte Schlüsselprotein in den Tumorzellen mehrere hundert Gene, die in komplexen Netzwerken miteinander interagieren. Die Forscher korrelierten diese Daten mit dem Krankheitsverlauf von 166 Ewing-Sarkom-Patienten und identifizierten auf diese Weise einen besonders vielversprechenden Schalter in diesen genetischen Netzwerken, der als Biomarker dienen könnte: Bei Patienten mit ungünstigem Krankheitsverlauf produzierten die Tumorzellen nur wenige Mengen des genregulatorischen Proteins TCF7L1. Zudem fanden die Wissenschaftler in Metastasen deutlich weniger TCF7L1 als noch in den Primärtumoren. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die geringen Mengen dieses Proteins dazu führen, dass genetische Netzwerke aktiviert werden, die den aggressiven Krankheitsverlauf und die Bildung von Metastasen eher begünstigen“, erklärt Thomas Grünewald, Arbeitsgruppenleiter am KiTZ, Abteilungsleiter am DKFZ und dem Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD).

Umgekehrt konnte eine wiederhergestellte TCF7L1-Produktion die Ausbreitung von Metastasen unterdrücken, so zeigten Untersuchungen in Mäusen. Künftig könnte TCF7L1 als prognostischer Biomarker beim Ewing-Sarkom geprüft werden, vermutet auch Florencia Cidre-Aranaz, die mit Thomas Grünewald die Studie leitete: „Die Menge an TCF7L1 in den Tumorproben ließe sich z.B. durch Anfärben in Gewebeschnitten bestimmen“, sagt Cidre-Aranaz vom KiTZ und vom DKFZ.

Dieser diagnostische Ansatz ließe sich möglicherweise auch auf andere Krebsarten, wie Brustkrebs, Darmkrebs oder akute lymphatische Leukämie übertragen, in denen die Fehlregulierung von TCF7L1 ebenfalls das Tumorwachstum zu begünstigen scheint. Erste Ergebnisse aus dem Labor deuten zudem darauf hin, dass TCF7L1 möglicherweise auch eine geeignete Zielstruktur sein könnte, um Ewing-Sarkome bei Kindern und Jugendlichen zu behandeln und eine Metastasierung zu verhindern. Diesem Ansatz wollen die Forscher in Folgestudien weiter nachgehen.

Die Studie wurde von der Wilhelm Sander-Stiftung in München, der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung in Mannheim, sowie der Barbara und Hubertus Trettner Stiftung gefördert.

 

Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit rund 123.000 € Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 250 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

 

Originalpublikation:
Cidre-Aranaz, F., et al. Integrative gene network and functional analyses identify a prognostically relevant key regulator of metastasis in Ewing sarcoma. In: Molecular Cancer (Online Publikation 3. Januar 2021) DOI: 10.1186/s12943-021-01470-z