Kindliche Hirntumorzellen im "Schlafmodus" endgültig abschalten

Neuer Therapieansatz für Kinder und Jugendliche mit langsam wachsenden Hirntumoren: „schlafende“ Tumorzellen sprechen nicht auf herkömmliche Therapien an, sind aber gleichzeitig eine der Hauptursachen für einen potentiellen Rückfall. Jetzt hat eine internationale Forschergruppe vom Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) einen neuen Ansatz entwickelt, der genau diese schlafenden Zellen ins Visier nimmt – und so Rückfälle künftig verhindern könnte.

Die meistem Zellen von kindlichen niedrig-gradigen Gliomen befinden sich in einer Art "Schlafmodus" (sog. Seneszenz; hier sichtbar durch Blaufärbung) und können mit BH3-Mimetika, einer neuen Klasse von Arzneimitteln, gezielt angegriffen und abgetötet werden.© Selt/ KiTZ

Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).

Jedes Jahr werden in Deutschland rund 500 Kinder und Jugendliche mit einem Hirntumor diagnostiziert - und die Krankheit ist nach wie vor die häufigste Krebserkrankung bei Kindern und Erwachsenen unter 40 Jahren. Pilozytische Astrozytome sind dabei die am häufigsten auftretende Art von gutartigen Hirntumoren. Es handelt sich um langsam wachsende Gliome, die sich aus sternförmigen Gehirnzellen, den so genannten Astrozyten, entwickeln, die die Nervenzellen im Gehirn unterstützen. Die Behandlung umfasst in der Regel eine Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie.

Dank der Fortschritte in der Behandlung überlebt die große Mehrheit der Kinder, bei denen ein niedriggradiges Gliom diagnostiziert wird, mindestens zehn Jahre. Bei etwa der Hälfte aller Kinder kommt es jedoch in dieser Zeit zu einem Rückfall der Krankheit, so dass sie sich weiteren Behandlungsrunden unterziehen müssen, die erhebliche Langzeitfolgen haben können und die Lebensqualität stark beeinträchtigen.

Frühere Studien haben ergeben, dass sich ein erheblicher Teil der Zellen in pilozytischen Astrozytomtumoren in einem Schlafzustand befindet, der als "onkogen-induzierte Seneszenz" bezeichnet wird - in dem sie sich nicht mehr teilen, aber auch nicht absterben. Diese "schlafenden" Zellen sind unempfindlich gegenüber konventionellen Krebsbehandlungen wie Chemotherapie, die nur auf sich teilende Zellen wirken, und man geht davon aus, dass sie eine der Hauptursachen für den Rückfall pilozytischer Astrozytome bei Kindern sind.

Jetzt haben Forschende des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) den ersten Therapieansatz entwickelt, der genau auf diese Tumorzellen im "Schlafmodus" abzielt. Eine von der Brain Tumour Charity finanzierte Studie ergab, dass eine neue Klasse von Arzneimitteln, die bestimmte Proteine blockieren - die so genannten BH3-Mimetika – die schlafenden Hirntumorzellen wirksam angreifen und abtöten kann.

Die Forscher unter der Leitung von Till Milde, Arbeitsgruppenleiter am KiTZ, sowie DKFZ und Oberarzt am UKHD und Florian Selt vom Everest Centre am Hopp-Kinderkrebszentrum Heidelberg (KiTZ) haben mit diesen neuen Erkenntnissen den Weg für eine klinische Studie geebnet, in der untersucht werden soll, ob BH3-Mimetika die Langzeitergebnisse von Kindern mit pilozytischem Astrozytom verbessern können.

"Unsere Studie mit patientenspezifischen Tumorzellen liefern erste vielversprechende Daten für eine neuartigen therapeutischen Ansatz, welche die schlafenden Tumorzellen in niedriggradigen Gliomen bei Kindern und Jugendlichen abtötet. Wenn es uns gelingt, diese zu eliminieren, könnten wir Rückfälle verhindern, die ein besonderes Problem bei dieser Art von Hirntumoren darstellen “, so Till Milde, Leiter der Studie, „Wir hoffen, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten durch die Eliminierung dieser Tumorzellfraktion mittels dieser neuen Therapie besser ansprechen und weniger Rückfälle erleiden werden. Unsere Studie liefert die Grundlage für die bevorstehende klinische Phase I/II Studie, die hoffentlich die Erkenntnisse in die klinische Praxis übertragen wird."

 

Über das Everest Zentrum

Das Everest-Zentrum ist eine weltweit führende Kooperation, die Hirntumorexperten des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Deutschland und des University College London (UCL) und der Queen Mary University London (QMUL) im Vereinigten Königreich zusammenbringt. Das 2017 gestartete Projekt wird von der britischen Brain Tumour Charity mit fast 6 Millionen Euro gefördert.

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Orginalpublikation:

Selt, F., et al. BH3 mimetics targeting BCL-XL impact the senescent compartment of pilocytic astrocytoma. In: Neuro Oncology. DOI: 10.1093/neuonc/noac199

Dr. Alexandra Moosmann

Leitung KiTZ Kommunikation

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