Seltene strahlenbedingte Zweittumoren bei Kindern richtig erkennen

Die Strahlentherapie ist auch für die Krebsbehandlung bei Kindern ein zentraler Baustein. In seltenen Fällen können Jahre nach der Radiotherapie sogenannte strahleninduzierte Zweittumoren entstehen. Die aktuelle Studie vom Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) zeigt, dass sich strahlenbedingte Hirntumoren durch bestimmte molekulare Eigenschaften von anderen Hirntumoren unterscheiden und vermutlich alle einen gemeinsamen zellulären Ursprung haben. Die Ergebnisse könnten helfen, Zweittumoren künftig gleich richtig zu diagnostizieren und dann gezielter zu behandeln.

Im Bestrahlungsraum des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD).
Im Bestrahlungsraum des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD). Die dort angebotene Schwerionen-/Protonenbestrahlung gehört zu den derzeit modernsten Bestrahlungsmethoden. Auch tief im Körper liegende oder extrem widerstandsfähige Tumoren können damit präzise zerstört werden, während das umliegende gesunde Gewebe geschont wird. Am HIT wird die Bestrahlung mit Protonen bevorzugt eingesetzt, u.a. auch, weil bei dieser Behandlung das Risiko für strahleninduzierte Zweittumoren geringer ist. Bildquelle: Uwe Anspach/KiTZ

Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).

Die Strahlentherapie gehört neben der Chemotherapie und der Operation zu den wichtigsten Behandlungen bei Krebs. Durch präzisere Dosierungsmöglichkeiten und moderne Bestrahlungsmethoden wurde die Behandlung in den vergangenen Jahren dabei zunehmend nebenwirkungsärmer und effektiver. So konnten mehr Kinder vom Krebs geheilt und deren Lebensqualität verbessert werden. In seltenen Fällen können Jahre nach der Radiotherapie durch Erbgutschäden strahlenbedingte Zweittumoren entstehen.

„Diese wachsen sehr aggressiv und den Ärzten bleibt dann nur wenig Zeit, um sie richtig zu behandeln. Umso wichtiger ist es, diese biologisch andersartigen Zweittumoren von klassischen Tumorrezidiven zu unterscheiden“, sagt David Jones, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Gliomforschung am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) und Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).  

Die Wissenschaftler und Ärzte am KiTZ und ihre Kollegen von DKFZ und Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) konnten jetzt zeigen, dass diese Zweittumoren bestimmte biologische Eigenschaften besitzen, die möglicherweise für die Diagnose und Therapie genutzt werden können. Die Forscher entschlüsselten das Erbgut strahleninduzierter Gliome von 32 jungen Patienten, die ursprünglich wegen einer Leukämie oder einem bösartigen Hirntumor im Kopfbereich bestrahlt wurden. 

Dabei entdeckten sie entscheidende genetische Gemeinsamkeiten: Im Erbgut der meisten Zweittumoren fanden sie vervielfachte Genkopien des Wachstumssignals PDGFRA, das bei Heilungsprozessen und der Embryonalentwicklung eine Rolle spielt. Gleichzeitig fehlte das Gen für das Protein CDKN2A/B, das eine wichtige Rolle bei der Zellteilung spielt. „Die Zweittumoren sind genetisch sehr viel homogener, als wir das von Primärtumoren kennen“, erläutert Maximilian Deng, Wissenschaftler an KiTZ und DKFZ. „Somit kann man diese Tumorklasse molekular besser von anderen Hirntumoren unterscheiden.“

Ein bestimmtes Zeitfenster, in dem die strahleninduzierten Hirntumoren auftreten, gibt es jedoch nicht, wie die Studie zeigt. Zwischen der Radiotherapie und dem Auftreten der Zweittumoren vergingen manchmal zwei, manchmal auch 14 Jahre. „Die regelmäßige Nachsorge für die Patienten ist daher besonders wichtig“, betont auch Stefan Pfister, Direktor am KiTZ, Abteilungsleiter am DKFZ und Kinderonkologe am UKHD, der die Studie mit David Jones leitete.

Die Ergebnisse der Studie könnten vor allem eine präzisere Diagnose und eine zielgerichtetere Behandlung ermöglichen, hofft Deng: “Die Mutationen in den Genen PDGFRA und CDKN2A/B könnten möglicherweise in der Zukunft als Ansätze für eine personalisierte, zielgerichtete Therapie dienen. Weitere Experimente wären notwendig, um diese Hypothese zu bestätigen.“

 

Originalpublikation:

Deng, M.Y., Sturm, D., Pfaff, E. et al. Radiation-induced gliomas represent H3-/IDH-wild type pediatric gliomas with recurrent PDGFRA amplification and loss of CDKN2A/B. In: Nature Communications (Online Publikation 20. September 2021) DOI: 10.1038/s41467-021-25708-y

Dr. Alexandra Moosmann

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