Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).
Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist die häufigste Form der Leukämie bei Kindern und Jugendlichen und macht gut ein Fünftel aller Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus. Jedes Jahr erkranken etwa 550 bis 600 Kinder und Jugendliche in Deutschland an dieser Blutkrebsform. Etwa 80 Prozent davon können geheilt werden. Bei den anderen Betroffenen kommt es aufgrund von Resistenzen zu Rückfällen mit schlechten Prognosen.
Besonders häufig treten Resistenzen gegenüber Chemotherapien bei der sogenannten T-ALL auf, einer Unterform der ALL. Der Ursprung des Übels ist, wie eine aktuelle Studie nun zeigt, eine kleine behandlungsresistente Zellpopulation, die schon zum Zeitpunkt der Diagnose vorhanden ist und sich bei einem Rückfall erheblich vermehrt.
Forschende der Molecular Medicine Partnership Unit, des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) analysierte erstmals einzelne T-ALL Zellen von insgesamt 18 Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose und nach einem Rückfall und verglich deren molekulare Ausstattung mit Leukämiezellen von Patientinnen und Patienten, die keinen Rückfall erlitten.
Wie die Einzelzellanalysen zeigten, tragen viele Betroffene schon früh im Krankheitsverlauf eine kleine Zellpopulation mit stammzellähnlichen Eigenschaften. Diese stammzellähnlichen Zellen zeigen sowohl als Zellkultur, als auch in Mäusen eine besondere Resistenz gegenüber Chemotherapeutika. Die klinische Relevanz dieser Entdeckung zeigte sich darüber hinaus in der Analyse einer großen Zahl von Patientenproben: die stammzellähnlichen Zellen waren vermehrt bei solchen Patienten zu finden, bei denen die Behandlung mit diesen Chemotherapeutika von Anfang an nicht gut wirkte.
Auch bei anderen Krebserkrankungen weisen Studien darauf hin, dass Zellen mit stammzellähnlichen Eigenschaften der Grund dafür sind, dass Therapien nicht mehr wirken. „Bislang ist es jedoch nicht gelungen, einzelne stammzellähnliche T-ALL Zellen zu identifizieren, die für Rückfälle verantwortlich sind, und deren molekulare Eigenschaften genau zu charakterisieren“, betont Jan Korbel, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare Kinderonkologie“ der MMPU sowie Interimsleiter des EMBL in Heidelberg und Forschungsgruppenleiter am DKFZ. Die Forschungsgruppe der MMPU und die Studie leitet er gemeinsam mit Andreas Kulozik, Professor für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Immunologie der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, Gründer der MMPU, Ärztlicher Direktor der Klinik für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Immunologie am UKHD, Direktor des Klinischen Programms des KiTZ und Leiter der klinischen Kooperationseinheit Pädiatrische Leukämien am DKFZ.
Die Einzelzellanalysen zeigten zudem, dass die stammzellähnlichen Krebszellen unterschiedliche molekulare Eigenschaften besitzen, die auch für Therapieentscheidungen relevant sein könnten: Stammzellähnliche Zellen mit bestimmten Genaktivitätsmustern waren ein Indikator für einen Rückfall. Laut der Autoren könnte der in der Studie entwickelte Stammzell-Score daher künftig als klinischer Biomarker dienen, um das Risiko für einen Rückfall abzuschätzen und ggf. die Therapie anzupassen.
„Mit dem in der Studie entwickelten Ansatz, stammzellähnliche Leukämiezellen einzeln untersuchen und molekular charakterisieren zu können, möchten wir künftig auch prüfen, welchen Einfluss verschiedene Behandlungsregime und Therapeutika auf die Entstehung dieser Zellen haben“, erläutert Andreas Kulozik.
Die stammzellähnlichen Zellen seien ein vielversprechendes therapeutisches Angriffsziel, um Rückfällen bei Kindern und Jugendlichen mit T-ALL vorzubeugen und Resistenzen zu überwinden, so die Hoffnung der Autoren.
Originalpublikation:
Costea J. et al. Role of Stem-Like Cells in Chemotherapy Resistance and Relapse in Pediatric T-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia. In: Nature Communications (Online-Publikation, 27. Juni 2025) DOI: 10.1038/s41467-025-61222-1
Über die Molecular Medicine Partnership
Die MMPU ist eine interinstitutionelle Partnerschaft der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und des Europäischen Molekularbiologischen Laboratoriums (EMBL).
Sie fördert Innovationen und deren translationale Umsetzung in die Medizin - an der Schnittstelle zwischen molekularbiologischer Grundlagenforschung und klinischer Gesundheitsversorgung. Derzeit besteht die MMPU aus neun international aufgestellten und interdisziplinär arbeitenden Forschungsgruppen, die von Ärztinnen und Ärzten, promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Technikerinnen und Technikern getragen werden. Der Forschungsschwerpunkt der MMPU Gruppe „Molekulare Kinderonkologie“ liegt auf der Erforschung von Leukämien im Kindesalter. Zur Website