Komplexe Mutationsmuster helfen Ursachen von Krebs im Kindesalter zu verstehen

Typische Mutationsmuster im Erbgut können Aufschluss über die Ursache von Krebs geben und wie man ihn bekämpfen kann. Bislang wurden solche Mutationsmuster jedoch hauptsächlich bei krebskranken Erwachsenen identifiziert und für Therapieentscheidungen genutzt. Ein Forscherteam des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) sowie des Moores Cancer Center in San Diego veröffentlichte jetzt im Fachmagazin Nature Cancer, die bislang umfänglichste Analyse von Mutationsmustern in den Genomen kindlicher Tumoren und Leukämien. Die Daten liefern wichtige Informationen, um die Biologie kindlicher Tumoren besser zu verstehen und die Mutationsmuster können als Biomarker genutzt werden, um das Ansprechen auf eine Behandlung vorherzusagen.

© Thatikonda/ KiTZ

Das "Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).

Krebs bei Erwachsenen entsteht häufig durch Veränderungen im Erbgut, die sich im Laufe des Lebens in den verschiedenen Körperzellen anhäufen. Dies können zum Beispiel Fehler während der Zellteilung sein, bei der auch immer eine Kopie des Erbguts an die Tochterzellen weitergegeben wird. Weitere Ursachen für Mutationen sind Umwelteinflüsse, wie UV-Licht, Alkohol- und Tabakkonsum. Genetische Veränderungen dieser Art werden als sogenannte somatische Mutationen bezeichnet. Diese treten ausschließlich in den sogenannten Somazellen, den Körperzellen auf, also nicht in den Spermien und Eizellen der Keimbahn und werden somit auch nicht an die nächste Generation weitergegeben. Je älter wir werden, desto mehr Fehler schleichen sich in unserem genetischen Code ein, die zur Entstehung von Krebs beitragen können.

Durch den rasanten Fortschritt der Genomentschlüsselung, wurden in den vergangenen Jahren immer mehr typische Mutationsmuster bekannt, die durch bestimmte Umwelteinflüsse und Defekte in der zellulären Maschinerie entstehen. Diese Mutationsmuster geben Aufschluss über die molekularen Ursachen bei Krebs und werden daher auch für Therapieentscheidungen herangezogen.

Welche dieser typischen Mutationsmuster auch schon bei Kindern und Jugendlichen auftreten und welche Rolle sie bei der Entstehung und Behandlung von Krebs im Kindesalter spielen, war bislang für bestimmte Mutationstypen und Krebserkrankungen noch nicht bekannt. Ein Forscherteam des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) sowie des Moores Cancer Center in San Diego analysierte deshalb die Genomdaten von insgesamt 785 kindlichen Tumoren und insgesamt 27 verschiedenen Krebserkrankungen. Es ist die bislang umfassendste Analyse von somatischen Mutationsmustern im Erbgut kindlicher Tumoren und Leukämien. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschieden dabei zwischen Punktmutationen, bei denen nur ein Baustein der DNA falsch eingebaut wurde und genetischen Veränderungen, die durch Löschung oder Einbau von einem oder mehreren Bausteinen der DNA verursacht wurden.

Wie erwartet, fand das Forscherteam im Genom der kindlichen Tumoren insgesamt nur einen Bruchteil der Mutationsmuster, die bei Erwachsenen relativ häufig entstehen, unter anderem weil die Mutationen, die durch Tabakkonsum oder andere Umwelteinflüsse auftreten, im Kindesalter in der Regel keine Rolle spielen. Stattdessen scheinen die meisten somatischen Mutationen bei Kindern und Jugendlichen durch Fehler während der Zellteilung zu entstehen, also während der natürlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesse. Somatische Mutationen dieser Art sind jedoch in nahezu allen Zellen des menschlichen Körpers vorhanden, treten lebenslang auf und führen nicht zwangsläufig zur Krebsentstehung. Das Forscherteam machte zudem Entdeckungen, die sich voraussichtlich auch auf die Therapieempfehlungen bei krebskranken Kindern und Jugendlichen auswirken werden: Nur etwa zwei Prozent der Tumoren weisen eine defekte spezielle Form der DNA-Reparatur auf. Tumoren mit diesen Mutationsmusstern werden üblicherweise mit DNA-schädigende Therapeutika bekämpft, weil die Krebszellen nicht in der Lage sind, diese Schäden wieder zu reparieren und in Folge absterben. Frühere Studien gingen davon aus, dass Defekte bei dieser speziellen Form der DNA-Reparatur sehr viel häufiger bei Krebs im Kindesalter auftreten. Zudem identifizierte das Forscherteam auch ein ganz neues Mutationsmuster, das bei den häufigsten Blutkrebserkrankungen im Kindesalter auftrat.

„Bislang konnte das Repertoire von Mutationsmustern in kindlichen Tumoren nur unzureichend für Prognosen und Therapieempfehlungen genutzt werden“, sagt Natalie Jäger vom KiTZ und DKFZ, die als Bioinformatikerin die Studie leitete. „Wir hoffen, dass unsere umfassende Analyse dazu beiträgt, künftig Mutationsprofile auch als Biomarker einzusetzen und somit personalisierte Krebstherapien für Kinder und Jugendliche zu verbessern.“

 

Weitere Informationen:
Internationale Datenbank für Mutationsmuster von Krebserkrankungen
 

Originalpublikation:
Thatikonda et al. Comprehensive analysis of mutational signatures reveals distinct patterns and molecular processes across 27 pediatric cancers. (Online Publikation 26. Januar 2023) In: Nature Cancer DOI: 10.1038/s43018-022-00509-4

Dr. Alexandra Moosmann

Leitung KiTZ Kommunikation

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