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Endlich das passende Medikament

© Schwerdt/ KiTZ

Gerade drei Jahre alt war Enna, als sie die schreckliche Diagnose „Hirntumor“ bekam. Ein dramatischer Einschnitt das Leben von Enna und ihrer Familie. Enna erhielt zunächst eine Chemotherapie, dann wurde der Tumor operativ aus ihrem Kopf entfernt. Doch irgendwann kam der Krebs zurück.

Wie Enna, so erleiden rund 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen mit Krebs einen Rückfall. Sie sind besonders gefährdet, da ihre Krebszellen dann oft schon resistent – also unempfindlich – gegenüber den üblichen Standardbehandlungen wie Chemo- und Strahlentherapie sind. Dann stehen die Chancen auf eine Heilung schlecht. Helfen könnten dann moderne Behandlungsmethoden wie Immuntherapien und zielgerichtete Therapien, die ganz bestimmte molekulare und genetische Schwachstellen der Krebszellen angreifen. „Um abschätzen zu können, welche der spezifischen Therapeutika anschlagen könnten, ist eine umfassende molekulargenetische Diagnostik und Beratung notwendig“, erklärt David Jones, Forschungsgruppenleiter am KiTZ und DKFZ. Jones ist gleichzeitig der Koordinator von INFORM, einem Studienprogramm speziell für Kinder, deren Krebserkrankung nach einer Behandlung zurückkommt oder weiter fortschreitet.

Im Falle eines Rückfalls verschlechtern sich die Heilungschancen deutlich

Dann wurde auch Enna in das INFORM Programm aufgenommen. Und das Team des Hopp-Kindertumorzentrums (KiTZ) in Heidelberg konnte mithilfe modernster molekulare Analysetechniken das Genom in Ennas Tumor nach bestimmte Angriffspunkten durchsuchen. Entwickelt wurde die Analysemethode von Stefan Pfister, Leibniz-Preisträger und einer der drei Direktoren des KiTZ, in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen des DKFZ.

Neue diagnostische Möglichkeiten entlarven Schwachstellen

Wenig später die gute Nachricht: Ennas Tumor hat eine Achillesferse – eine Art Schwachstelle, an dem der Krebs therapeutisch zu fassen ist, weil ein zugelassener therapeutischer Wirkstoff passgenau daran ansetzt. Enna erhält diesen Wirkstoff nun morgens und abends als Saft: „Schmeckt nicht“, ist das Urteil der heute Sechsjährigen. Sie zeigt mit dem Daumen Richtung Boden. Der Saft schmeckt zwar nicht gut, aber er scheint zu wirken. Das zeigt sich wenige Monate später in der MRT-Kontrolle, wo eine Abnahme der Tumorgröße zu sehen war.

Noch ist nicht klar, ob Enna mit dem Medikament vollständig geheilt werden kann. Doch die sichtbaren ersten Behandlungserfolge geben Enna und ihre Familie Grund zur Hoffnung. Und die individuelle, nebenwirkungsarme Therapie – ganz ohne Chemotherapie und Bestrahlung – schenkt dem Mädchen deutlich mehr Lebensqualität.
Bislang wurde die molekulare Krebsdiagnostik für Kinder und Jugendliche allein durch Projektförderung und private Spenden möglich. Doch kürzlich haben das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), die Träger des KiTZ, Verträge mit insgesamt 55 gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen. Diese tragen inzwischen die Kosten für die Tumoranalyse über das INFORM Programm bei den dort versicherten krebskranken Kinder mit einem Rückfall oder einer Hochrisikoerkrankung.

 

Hier geht's Fernsehbeitrag des SWR über Ennas Geschichte